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Windhosen und Hurrikans im Mittelmeer

 

Alljährlich gegen Ende der Segelsaison pflügen Wasserhosen mit Windspitzen bis über 12 Beaufort durchs Mittelmeer. Selbst an Nord- und Ostsee tauchen Mini-Hurrikans auf. Wer mit seiner Yacht auf Kollisions kurs gerät, braucht starke Nerven und viel Glück. 

Es war ein sonniger und ungewöhnlich heißer Spätsommertag. In der Iagune von Venedig herrscht bis weit in den Abend hinein reges Treiben von Ausfluglerbooten, Yachten und Fährschiffen. Die letzte Fähre ist mit 70 Personen an Bord gerade auf dem Weg zur Insel St. Elena, als eine Gewitterfront das Revier erreicht. Dann geschieht das Unfaßbare. Die 25 Tonnen schwere Fähre wird plötzlich wie von Geisterhand in die I.uft gehoben, mehrfach herumgewirbelt und mit ebensolcher Gewalt in die aufgewühlten Fluten zurückgeschleudert. Sie sinkt binnen 30 Sekunden. Ein Augenzeuge berichtet später: ,,Es gab nicht einen einzigen Schrei. Niemand hatte Zeit, zu erkennen, was wirklich geschah. Ich hörte nur das Dröhnen von berstendem Metall. Stunden nach dein Unglück bargen Froschmänner im Scheinwerferlicht der Bergungsfahrzeuge 32 Leichen aus dem Schiff.

Was war geschehen? AmAbend jenes 11. September 1970 entwickelten sich über Oberitalien im Vorfeld einer gewittrigen Kaltfront mehrere kleinräumige Wirbelstürme,sogenannte Tromben. Diese Armada aus Wind- (über Land) und Wasserhosen (über See) zog mit Rotationsgeschwindigkeiten bis zu 200 Stundenkilometern Ober das das dicht besiedelte Küstengebiet Oberitaliens.

Sie hinterließ zahlreiche kaum einen Kilometer breite, aber verheerende Spurlinien. Eine von ihnen verlief quer über den Lido. Die Katastrophe von Venedig war das bisher folgenschwerste Unglück im Mittelmeerraum, das durch eine Wasserhose verursacht wurde.

Wenngleich die Wahrscheinlichkeit, von einem dieser rotierenden Ungeheuer erfaßt zu werden, relativ gering ist, wird die Gefahr von vielen Seglern unterschätzt. Es gibt Reviere, wo gegen Ende der Saison bei bestimmten Wetterlagen ein hohes Trombenrisiko besteht. Jeder Skipper sollte die meteorologischen Bedingungen der Entstehung von Wasserhosen kennen und mit den richtigen Verhaltensmaßnahmen vertraut sein. So fesselnd die Naturerscheinung auch sein mag: Jedem, der auf Kollisionskurs mit einer Wasserhose gerät, muß klar sein, daß die Begegnung tödlich enden kann.

 

Entstehung und Energie der Wasserhosen

Ein Kuriosum: Während die Entstehung großer tropischer Wirbelstürme wie etwa Hurrikans inzwischen geklärt ist und deren Geburt und Wanderung auf den Ozeanen via Wettersatellit gut verfolgt werden kann, sind die kleinräumigen Wirbelstürme den Meteorologen nach wie vor ein Rätsel. Verschiedene Entstehungstheorien werden diskutiert, doch keine taugt für eine brauchbare Prognose. Nicht einmal ihre Ortung gelingt, weder mit Satellit noch mit Radar.

Um so einfacher dagegen ihre Rekonstruktion, zumindest über Land. In der Schneise ihrer Zerstörungswut hinterlassen sie ihre Visitenkarte. Weg, Umfang und Stärke der Trombe? Im Trümmerfeld finden sich die Antworten. Für die nord-amerikanischen Tromben, die Tornados, ist sogar eine eigene Stärke-Skala in Gebrauch, die auf dem Ausmaß der Zerstörung basiert. Lebensgefahr besteht vor allem durch die in der Luft herumwirbelnden Trümmerstücke. Bei der höchsten Kategorie fünf sind es definitionsgemäß ganz große Brocken wie Kühlschränke oder gar Lastwagen.

Verglichen mit solchen Ungeheuern sind die Wasserhosen, mit denen es der Mittelmeerskipper zu tun hat, geradezu friedfertig zu nennen. Sie erreichen bei weitem nicht die Stärken wie ihr nord-amerikanischer Verwandter. Und anstatt Kühlschränke bekommt der Segler von der Trombe den einen oder anderen Fisch um die Ohren gehauen. Lebensgefahr besteht trotzdem, denn die aufgewirbelten tonnenschweren Seewassermassen können in Minuten das Schiff vollaufen lassen. Und im Zentrum des Wirbels muß mit 10 bis 12 Beaufort gerechnet werden. Ein kleiner Trost bleibt dem Segler: Nach 15 bis 20 Minuten ist der ganze Spuk vorbei. Tromben haben ein kurzes Leben.

Entscheidend ist das rechtzeitige Erkennen einer Wasserhose, deren Wortursprung übrigens nichts mit einem Kleidungsstück gemein hat. Der Begriff entstammt in Wirklichkeit dem englischen ,,hose", was Schlauch bedeutet.

Damit kommen wir zu dem untrüglichen Erkennungszeichen der Wasserhose, dem Wolkenschlauch. Er erstreckt sich, maximal 200 Meter im Durchmesser, von der dunklen Unterseite eines mächtigen Gumulonimbus bis zur Wasseroberfläche herab. Der Schlauch befindet sich für gewöhnlich im Schatten der Mutterwolke und ist deshalb als dunkle Linie vor hellerem Himmelshintergrund schon aus der Ferne gut auszumachen. Am Fuß der Trombe befindet sich eine 200 bis 500 Meter breite Gischtwolke aus aufgewirbeltem Seewasser. Der starke Druckabfall in der Wasserhose um bis zu 100 hPa - über seine Ursache streiten sich wie gesagt die Gelehrten - führt zur Kondensation der Luftfeuchtigkeit: So entsteht der Wolkenschlauch.

Die Luft in ihm rotiert in Sturm- oder Orkanstärke. Dabei herrscht ein starker Sog, der gegen das Zentrum und dort aufwärts gerichtet ist. Zum Ausgleich entwickeln sich am Rand des Wirbels starke Abwinde. Zuweilen werden mehrere Schläuche beobachtet, einmal konnten im Mittelmeer sogar 18 Exemplare gleichzeitig gesichtet werden.

Aber schon ein einzelner Schlauch bereitet dem Beobachter genug Kopfzerbrechen. Das liegt daran, daß Geradlinigkeit nicht zu den Stärken des Burschen zählt, ein Zickzackkurs schon eher. Manchmal bewegt er sich auch sprunghaft vorwärts oder pflügt Schleifen durchs Wasser. So eindrucksvoll das Schauspiel eines ,,tanzenden Rüssels" ist: Es dürfte den Segler, vornehm ausgedrückt, erheblich irritieren. Neben dem sprunghaften Verhalten erschwert die geringe Zuggeschwindigkeit von etwa 20 Stundenkilometern die richtige Einschätzung seiner voraussichtlichen Bahn.

Die Gefahr, aus Nervosität vorschnell einen Ausweichkurs einzuschlagen, der sich als Kollisionskurs entpuppt, ist deshalb groß. Und das Schiff, das in den Sog der Trombe gerät, kann sich nicht einmal mit Motorkraft mehr herausbringen, da die Wassermassen ebenfalls in Rotation geraten.

Augenzeugenbericht des Franzosen Bonnafont aus dem Jahre 1846, als die Fischereiflotte von Algier von einer Wasserhose erfaßt wurde: ,,Es schien uns sogar, als könnten wir die vergeblichen Anstrengungen sehen, welche sie machten, um gegen die Anziehungskraft anzukämpfen. Vergeblich wandte das Schiff alle Energie auf; es lief mit großer Geschwindigkeit in seinen Untergang hinein. In der Tat genügten einige Augenblicke - das unglückliche Schiff verschwand vollständig. Es verschwand, um sich selbst drehend, in dem Strudel, und die Trombe setzte ihren Lauf fort..." 

Bei welcher Wetterlage besteht akute Trombengefahr?

Ein Kaltlufteinbruch aus Norden oder Nordwesten in den Mittelmeerraum ist stets ein Warnzeichen. Damit ist besonders in der Zeit von September bis April zu rechnen, wenn sich der Azorenhochkeil aus dem Mittelmeerraum zurückzieht. Solche Einbrüche führen zu einer hochreichenden Labilisierung der Luftmassen. Das heißt, die Kaltluftmasse wird durch die Heizfläche ,,Wasser" von unten her stark durchmischt. Zahlreiche hochreichende Quellwolken entstehen, entsprechend gesteigert ist das Trombenrisiko. Besonders heftig verläuft die Labilisierung. im Herbst, da die Wassertemperaturen zu dieser Zeit noch recht hoch sind. Folge ist eine lebhafte Gewittertätigkeit über See. Für die italienischen Küstenbewohner bilden die ersten Seegewitter den symbolischen Auftakt der Herbstsaison.

Die Statistik belegt, daß mehr als die Hälfte aller Wasserhosen eines Jahres in der Zeit von September bis November auftritt. Das Maximum fällt in den Oktober. Die typische ,,Wasserhosen-Wetterkarte" zeigt eine zyklonale Zirkulation im betroffenen Gebiet, doch sind die Druckunterschiede gering. Außerhalb der Gewitterzellen mit ihren starken Böen und Wasserhosen wehen nur schwache, zum Teil umlaufende Winde. Eine solche Wetterlage hält normalerweise zwei bis drei Tage an, dann hat die in den Gewittertürmen aufsteigende Meereswärme die höheren Luftschichten so weit erwärmt, daß keine labile Luftschichtung mehr herrscht.

 

Besonders gefährdete Reviere

Mit Wasserhosen muß in allen Revieren des Mittelmeers gerechnet werden. Dennoch gibt es regionale Unterschiede. Besonders gef'ährdet sind die Gewässer des westlichen Mittelmeers. Geradezu berüchtigt für ihre Trombenhäufigkeit sind die Straße von Gibraltar und das Alborangebiet; die Cote d'Azur zwischen Toulon und Genua sowie die nördliche Adria. Erst im vergangenen Jahr sorgte eine Wasserhose an der Adria für Schlagzeilen: das Unglück von Vrsar.

Der Landgang einer Wasserhose löste in dem Küstenstädtchen auf der Halbinsel von Istrien Katastrophenalarm aus. Innerhalb einer Minute verwüstete die Trombe den Hafen von Vrsar und versenkte zehn Schiffe. Wie durch ein Wunder kamen Menschen dabei nicht zu Schaden.

 

Früherkennung und Vorsichtsmaßnahmen

Wenngleich eine sichere Trombenvorhersage nie möglich sein wird, so gibt es döch eine Reihe von Anzeichen für ein erhöhtes Trombenrisiko, die der Segler kennen sollte. Sie sind im folgenden zusammengetragen.

--Zeitliche Schwerpunkte auf See: September bis November und nachts bis zum frühen Morgen häufiger als tagsüber. Unmittelbar an der Küste auch schon Juli und August, dann oft in der zweiten Tageshälfte bis zum späten Abend (Landgewitter, die auf See hinausziehen).

--Großwetterlage: Während die Bodenwetterkarte eine nur schwache, zyklonale Zirkulation mit Kerndruckwerten zwischen 990 und 1015 hPa zeigt, ist in der 500-hpa-Höhenwetterkarte (ein wichtiges Hilfsmittel!) über dem Bodentief ein kräftiges, oft kreisrundes Höhentief zu erkennen. Die größte Trombengefahr besteht nähe dem Tiefdruckkern sowie vor und an der Kaltfront.

--Im Satellitenbild sind die Unwetterherde als Ansammlungen sehr heller Wolkenkleckse mit rundlichem Grundriß klar auszumachen.

--Witterung: Hochreichende Quellwolken mit Niederschlagsfallstreifen bestimmen das Himmelsbild. Nachts machen sich die lokalen Gewitterherde durch lebhaftes Wetterleuchten bemerkbar. Außerhalb der Schauer und Gewitter herrschen bei ausgesprochen guten Sichtverhältnissen relativ schwache Winde vor, in den Niederschlagsgebieten aber wird der Segler durch Schauerböen überräscht.

Nachttörns sollten bei dieser Wetterlage auf keinen Fall unternommen werden. Weder Schauerböen noch Wasserhosen können in der Dunkelheit rechtzeitig erkannt werden. Nur das Geräusch des Wasserfalls am Rande des Rüssels weist auf die Wasserhose hin. Aber wer es vernimmt, hat bereits schlechte Karten. Wie etwa Kapitän Records 1674, der auf seinem Großsegler mit einem blauen Auge (und einem einzigen Mast) davonkam: ,,Sie näherte sich nun schnell, wobei sie gewaltigen Lärm machte und das Wasser ringsherum emporwirbelte... Bugspriet, Fock- und Besanmast gingen über Bord, nur der Großmast blieb stehen." Betroffene beschreiben das Geräusch der Wasserhose übereinstimmend als Zischen oder eigentümliches Brausen.

Was ist zu tun in der Stunde der Wahrheit, wenn die schwarze Säule tatsächlich am Horizont auftaucht?

--Schwimmwesten anlegen, Segel runter und Motor anschmeißen.

--Nerven behalten und noch nicht flüchten!

--Weg und Geschwindigkeit der Trombe abschätzen. Einen Anhaltspunkt liefert die dunkle Unterseite des Gumulonimbus. Mit ihr zieht die Trombe. Dabei vor allem den rotierenden, hellen Gischtfuß im Auge behalten. Von ihm geht die unmittelbare Gefahr für den Segler aus, nicht von dem wesentlich auffälligeren, gewundenen dunklen Wolkenschlauch, der sich selten direkt über dem Fußpunkt befindet!

--Nun im rechten Winkel von der Bahn wegmotoren, bis ein Kollisionskurs ausgeschlossen werden kann.

Auf Kollisionskurs geraten Sie als Skipper nun aber wahrscheinlich mit dem Hobbyfotografen in ihrer Crew, denn solch ein seltenes Naturschauspiel, aus nächster Nähe abgelichtet, dürfte zu den Kostbarkeiten jeder Fotosammlung zählen. Ersticken Sie die Meuterei gleich im Keim. Drücken Sie ihm Ihre eigene (in weiser Voraussicht angelegte) Sammlung aus der Bordbibliothek in die Hand; Titel: ,,Trombentragödien". Diese Dokumentation sollte Berichte, Zeitungsausschnitte und Fotos enthalten, die in anschaulicher Weise Zeugnis ablegen von dem Resultat der Begegnung zwischen Yacht und Wasserhose. Er wird dann der erste sein, dem die Flucht nicht schnell genug geht. 

Mini-Hurrikans - eine neue Gefahr

Es war einer jener frühherbstlichen Kaltlufteinbrüche, in dessen Verlauf zahlreiche Gewitterherde über See entstanden. Da diesmal obendrein das Bodentief gut entwickelt war, traten auch außerhalb der Schauer starke Winde auf und die Segler waren vorgewarnt.

Zunächst lag die Zyklone im Seegebiet östlich der Balearen und zog langsam nach Osten, Richtung Sardinien. Am dritten Tag drehte sie unter Abschwächung nach Südosten ab. Entwarnung signalisierte das Wetterkartenbild an jenem 9. Oktober 1996, wurde doch das Tief nur noch von einer einzigen Isobare umschlossen. Auch der Wind ließ außerhalb der Schauer deutlich nach.

Diese Einschätzung entpuppte sich als fataler Irrtum. Alle ließen sich von der Bodenwetterkarte täuschen, Segler wie Meteorologen. Kein Wunder, denn eine solche Karte basiert auf Luftdruckmeldungen, und die aus Seegebieten sind immer spärlich.

Was sich an jenem Abend im Zentrum des altersschwachen Tiefs mitten über dem Tyrrhenischen Meer tat, wurde von dem weitmaschigen Beobachtungsnetz nicht erfaßt. Innerhalb weniger Stunden entwickelte sich dort ein kleiner, nach außen scharf abgegrenzter Wolkenwirbel (kaum 100 Seemeilen im Durchmesser), dessen Rand eine spiralige Gestalt annahm - als ob der alte Wirbel seine letzten Kräfte mobilisieren und im Kern bündeln wollte. Im Zentrum des Wirbels - die Meteorologen vor dem Satellitenbildschirm wollten ihren Augen zunächst nicht trauen - war ein kreisrundes ,,Auge" zu erkennen. Ein Hurrikan im Mittelmeer!? Noch rätselten die Experten. Es gab keine amtlichen Windregistrierungen, die das Unwetter bestätigten. Der Wirbel war zu klein und weitab der Küstenstationen. Doch das Phänomen driftete langsam Richtung Sizilien und erreichte noch am selben Abend die vorgelagerten Liparischen Inseln.

In diesem beliebten Revier sind zu der Zeit zahlreiche Yachten unterwegs, viele suchen sich für die Nacht einen gegen Westwind und Schwell gut geschützten Hafen. Kurz vor Mitternacht erreicht der Wirbel den Archipel. Keine Vorwarnung, weder durch Fernsehen, Radio noch durch den Hafendienste. Innerhalb einer Stunde wird aus der braven Brise ein voller Orkan, mit allen Merkmalen eines tropischen Wirbelsturms. Zuerst Orkan aus Südwest, dabei Starkregen und rapider Druckfall. Im ,,Auge" selbst tiefster Druck, Windruhe, üble Kreuzsee. Dann starker Druckanstieg und - so die Logbuchaufzeichnungen betroffener - innerhalb von zehn Minuten Wiedereinsetzen des Orkans, nun aus der entgegengesetzter Richtung.

In den rammelvollen ,,Schutzhäfen" an den Ostseiten der Inseln nimmt die Apokalypse ihren Lauf. Wind und Wellen beginnen ihr Zerstörungswerk, überfluten die Hafenanlagen und werfen Schiffe gegen Pier und Felsen. Manche Yachten zerreiben sich gegenseitig. Zehn Schiffe sinken. Alle Crews kommen mit dem Schrecken davon,vielen bleibt jedoch nur die Zeit ihr nacktes Leben zu retten.

Kein Zweifel: Es war tatsächlich ein kleiner Hurrikan.

Nicht nur die Yachtversicherungen fragen, ob es nicht doch Warnzeichen gegeben hat. Die Antwort ist: ja, aber nur für den, der die Bilder des Wettersatelliten vor Augen hatte. Nur sie offenbarten, was sich da über dem Tyrrhenischen Meer zusammenbraute. Allerdings ist auch die Mehrzahl der Meteorologen mit diesem Phänomen der Mini-Hurrikans kaum vertraut. Diese Stürme wurden erst in den 70er Jahren anhand von Satellitenaufnahmen entdeckt. Seitdem sind sechs Hurrkans beobachtet worden, davon die Hälfte in den 90er Jahren.

Der Entstehungsmechanismus ist wie bei den Wasserhosen noch nicht völlig geklärt. Doch man kennt die Großwetterlage, bei der mit Mini-Hurrikans im Mittelmeer zu rechnen ist: ein hochreichender Kaltlufteinbruch über relativ warmen Gewässern und eine zyklonale Zirkulation. Durch die starke Konvektion im Kern dieses ,,Kaltlufttropfens” wird Druckfall ausgelöst, der sich durch einen Selbstverstärkungsprozeß intensiviert und räumlich konzentriert. Der entstandene Wolkenwirbel entfaltet dann eine Eigendynamik und wird zum Orkantief. Erst nach zwei bis drei Tagen löst er sich wieder auf.

Die Bedingungen Sind also vergleich-bar mit denen bei der Entstehung von Wasserhosen' doch man vermutet, daß zur Auslösung des größeren Wirbelsturmtyps die Luft in hohen Luftschichten besonders kalt sein muß. In der Zeit vom 15. bis 17. Januar 1995 pflügte ein solcher Mini-Hurrikan durch das Ionische Meer. Die 500-hPa-Höhenwetter-karte zeigte ungewöhnlich tiefe Temperaturen über dem Wirbel: -30° C. Die Temperatur der untersten Luftschichten wurde dagegen durch die Wassertemperatur von über 18° C bestimmt. Also fast 50 Grad Differenz auf fünf Kilometer Höhenuntersehied: das klassische Warnzeichen für eine unwetterträchtige Wetterlage! Setzt sich der allgemeine Erwärmungstrend fort und steigen die Wassertemperaturen, muß in Zukunft vermehrt mit Hurrikans im Mittelmeer gerechnet werden.

Wirbelstürme auch in heimischen Gewässern?

Von Hurrikans sind wir hier in Mitteleuropa zum Glück bisher verschont geblieben. Doch Wasserhosen an Nord-und Ostsee hat es schon immer gegeben. In baltischen Gewässern nannte man sie früher ,,die Himmelspumpe". Während auf See der Frübwinter Trombensaison ist, muß in den Küstengewässern nicht nur im Dezember, sondern auch im Hochsommer mit Tromben gerechnet werden. Die Beobachtungen in Deutschland zeigen, daß die meisten Wasserhosen in der Deutschen Bucht und in der Mecklenburger Bucht entstehen.

Gebet, Drohung oder Kanonenkugeln - in der christlichen Seefahrt wurden schon die unterschiedlichsten Methoden angewandt, um Wasserhosen zu vertreiben. Im ,,Allgemeinen Wörterbuch der Marine" (Hamburg, 1796) etwa wird dem Seemann der Nahkampf empfohlen:    daß sie sich zerstreuen, wenn man scharfe Messer- und Degenklingen daran bringt". Auf anderen Schiffen wurde mehr auf die Bibel gesetzt, wobei die Vorschrift galt, daß einer von der Mannschaft am Hauptmast niederzuknien und aus dem Johannesevangelium zu lesen habe. Weit verbreitet war der alte Seemannsbrauch des ,,Trombenschießens". Doch von Erfolgsmeldungen hört man wenig, und zeitgemäß ist der Tip auch nicht gerade: Kanonen pflegt der Segler heutzutage nicht mehr an Bord mitzuführen.

Uns bleibt nur noch die Signalpistole als Abwehrwaffe. Doch sollte man ihren Wirkungsgrad nicht überschätzen. Denken wir lieber pragmatisch und sparen uns die Munition für später auf, denn: Nicht vor, sondern nach der Passage der Wasserhose brauchen wir sie unter Umständen am nötigsten! 

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