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DER TOD BEIM WASSERLASSEN

 

Warum fallen Männer, die stehend urinieren, häufig über Bord?

 

,,Professor fiel von Bord und ertrank". Es war nur eine kurze, beinahe alltägliche Meldung, die sich hinter dieser Schlagzeile in den ,,Kieler Nachrichten" vom 16. August 1989 verbarg. Auf der Rücktour eines sommerlichen Segeltörns nach Sonderburg war der gehbehinderte Hochschullehrer  aus  Braunschweig bei dem Versuch, über die Reling zu urinieren, über Bord gefallen und ertrunken.

Von sechs Todesfällen des Jahres 1988 in Verbindung mit Motor- oder Segelyachten zeigten zwei, immerhin ein Drittel, einen ähnlichen Verlauf.

Bisherige  Erklärungsversuche dieses Phänomens sahen die Ursache darin, daß beim Wasserlassen an der Reling besondere Gleichgewichtsprobleme auftreten. Aber warum sollte man beim Pinkeln einen unsichereren Stand haben als bei anderen stehend an Bord ausgeübten Handlungen? Daß die Abstürze nicht durch die vom Seegang verursachte Schaukelei bewirkt werden, belegen die Erlebnisse von dreien Kieler Seglern, die glimpflich ausgingen.

In allen drei Fällen lagen die Schiffe im Hafen oder vor Anker in einer ruhigen Bucht. Alle drei Fälle passierten nachts, nachdem die Segler aufgewacht waren, der Druck auf die Blase übermächtig geworden war und ihnen den Schlaf raubte. Zwei von den dreien fanden sich plötzlich im Wasser wieder, ohne einen Grund für das Abkippen angeben zu können. Einem gelang es, sich noch in letzter Sekunde am Want festzuhalten.

Allen gemeinsam war, daß sie im Verlauf des Tages und des Abends viel Flüssigkeit zu sich genommen hatten. Betrunken war jedoch keiner. Nicht die normalen Gleichgewichtsstörungen infolge eines bewegten Untergrunds sind also die Ursache für den Sturz, sondern offensichtlich kurzzeitig, vorübergehende Ohnmachtsanfälle

Die beim Wasserlassen plötzlich auftretende Bewußtlosigkeit ist in der Urologie bestens bekannt. ,,Wenn eine übervolle Harnblase entleert wird, kann es zu einem Blutdruckabfall mit Kollaps kommen", erklärt Dr.Hagen Bertermann, Facharzt für Urologie an der Kieler Universitätsklinik. ,,Es ist in der Urologie, wo wir es häufig mit einer Harnverhaltung (Hemmung, Wasser zu lassen) zu tun haben, ein altes Gesetz, daß man dem Patienten, wenn man ihn von seiner Harnverhaltung befreien möchte, einen Katheter in die Blase platziert, und daß man dann nicht den ganzen Blaseninhalt auf einmal entleert, sondern schrittweise, eben weil es zu dem Blutdruckabfall kommen kann. Man nennt das eine Miktionssynkope."

Die Erklärung klingt plausibel, auch wenn es bei Freizeitskippern in den seltensten Fällen um das objektive Unvermögen geht, sich durchs Wasserlassen zu erleichtern. Viel eher dürfte das Gegenteil der Fall sein - das subjektive Zurückhalten und Aufschieben des Dranges, die Blase zu entleeren. Das kann bedingt sein durch widrige Witterungsverhältnisse oder einfach durch den Umstand, sich der vielen Schichten von Segelkleidung entledigen zu müssen. Dann wird oftmals der erste Wunsch zur Blasenentleerung unterdrückt. Im Verlauf dieser Verzögerungstaktik wird die Blase immer mehr gefüllt und sehr stark gedehnt. ,,Dabei werden", so Urologe Bertermann, ,,Dehnungsrezeptoren gereizt (das sind Sinnesorgane in der Blasenwand), die den Füllungszustand melden und ihn dem Menschen bewußt machen, so daß er die Blasenentleerung willkürlich einleitet."

Der heftige Einsatz der Rezeptoren bei der schrittweise Überdehnung und der plötzlichen Entdehnung bewirkt einen zentralen Blutdruckabfall. Dadurch kann es zum Kollaps komme Es muß nicht, aber der Abfall des Blutdrucks kann so unerwartet auftreten, daß der Betreffende aufgrund der relativen Blutleere im Gehirn ohnmächtig wird und ohne zu wissen, warum, über Bord geht.

Alkohol hat dabei eine doppelte Wirkung. Zum einen kann er die bewußte Wahrnehmung der übervollen Blase dämpfen, zum anderen ist er, gerade in Form von Bier, oftmals überhaupt erst der Auslöser für eine mengenmäßige Überfüllung.

 

So können sie der Gefahr vorbeugen

Das Wasserlassen möglichst nicht zu lange hinauszögern, sondern schon beim ersten Reiz und dann öfter pinkeln, vor allem wenn größere Mengen an Flüssigkeit (insbesondere Bier oder Wein) getrunken wurde.

Sich hinsetzen beim Wasserlassen  (entweder richtig auf die Bordtoilette oder auf einen Eimer), insbesondere dann, wenn man schon mal beim Wasserlassen Schwindelanfälle hatte

Wenn man unbedingt im Stehen pinkeln muß, sollte man sich anleinen oder mit den Armen und Beinen hinter Wanten/ Stagen fest verkeilen. Nur mit einer Hand fest

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