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Langzeitreisen aus ärztlicher Sicht

Dr.med Meinhard Kohfahl

 

Wer kann, wer darf, wer sollte lieber nicht

Bessere Schiffe, bessere Ausrüstung und mehr Freizeit sind einige der Faktoren, die immer mehr Segler ermutigen, mit kleinen Schiffen und mit kleinen Besatzungen lange Reisen über See zu unternehmen. Im Elektronikzeitalter werden vermeintlich die seemännischen Aspekte - zumindest was die Navigation angeht - immer weniger wichtig, ... solange der Strom denn auch fließt. Die medizinischen Probleme haben allerdings eher zugenommen. Etwa 56% aller Langstreckensegler sind über 50 Jahre alt, wie eine englische Studie herausfand. Dabei sind die Besatzungen von der Zahl her schwächer geworden. Meistens sind es Mann und Frau, die auf Langreise gehen. Nicht immer können sie sich gegenseitig voll ersetzen, wobei das Geschlecht unwesentlich ist. Jeder hat nur ein bestimmtes Aufgabenfeld. Deshalb kann die Erkrankung nur eines Besatzungsmitgliedes die Sicherheit von Schiff und Besatzung ernsthaft gefährden. Deshalb ist eine sorgfältige Vorbereitung auf eine Langreise wichtig. Segler, die sich gewissenhaft auf ihre Langreise vorbereiten, werden möglicherweise ihren Hausarzt um Rat fragen, wenn es z.B. um die Beantwortung folgender Fragen geht:

 

1.       Wer darf sich längere Seereisen zumuten, wenn man schon älter oder nicht ganz gesund ist?

2.       Wie und wo läßt sich das Wissen über Erste Hilfe und die Behandlung der wichtigsten Krankheiten an Bord erwerben? ·

3.       Welche Impfungen sind ratsam? ·

4.       Wie richtet man eine Bordapotheke ein?

Die Besatzung

Zunächst müssen die psychologischen Voraussetzungen stimmen. Dabei spielt die Motivation eine wichtige Rolle. Segeln unter extremen Bedingungen und das enge Zusammenleben an Bord können zu enormen Belastungen werden, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen. Dramatische Situationen, entstanden oft aus nichtigen Anlässen, können bis zu körperlichen Auseinandersetzungen eskalieren und eine Reise vorzeitig scheitern lassen. Einhandsegler haben in dieser Beziehung die geringsten Sorgen, sie müssen allerdings die Einsamkeit ertragen können und dürfen nicht zu Depressionen neigen. Ehepaare oder Paare, die sich gut kennen, bieten die günstigsten Voraussetzungen für problemlose Langreisen. Zahlreiche Weltumsegelungen sind erfolgreich durchgeführt worden. Zwei Personen ergänzen sich meistens und arrangieren sich leichter, weil sie aufeinander angewiesen sind. Je größer die Besatzung, desto mehr Möglichkeiten zu Differenzen untereinander ergeben sich. Deshalb muß der Schiffsführer möglichst auf allen Gebieten kompetent sein. Einfühlungsvermögen und gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme sind entscheidende Faktoren für das Gelingen einer harmonischen Reise.

 

Krankheiten, die Langreisen ausschließen, sind:

  1. akute schwere Infektionskrankheiten, die sich auf See verschlimmern könnten,
  2. schwere Herz- und Gefäßerkrankungen, wie z.B. schwere KHK und AVK und maligne Herzrhythmusstörungen,
  3. Anfallsleiden mit plötzlicher Bewußtlosigkeit oder schwerem Schwindel, · frische Magen- oder Darmulcera,
  4. schwer einstellbarer, insulinpflichtiger Diabetes, der bei Seekrankheit oder unter Streßsituationen dekompensieren könnte,
  5. Eingeweidebrüche, die incarcerieren könnten,
  6. Steinleiden, die Koliken befürchten lassen,
  7. dialysepflichtige Nierenleiden,
  8. Prostatavergrößerungen, bei denen eine Harnverhaltung droht,
  9. instabile Schwangerschaften,
  10. Psychosen, auch wenn z.Zt. symptomlos, " Suchtkrankheiten
  11. weitere schwere Krankheiten, die wegen ihrer Seltenheit hier nicht extra aufgeführt sind.

Eine bedingte Tauglichkeit für Langfahrten oder für die Küstenfahrt kann vorliegen,

  1. wenn es der augenblickliche Gesundheitszustand erlaubt und in absehbarer Zeit mit ärztlicher Hilfe gerechnet werden kann, z.B. bei
  2. leichteren und voll kompensierten For men von Herz- und Kreislaufkrankheiten,
  3. leichtere chronische Infektionskrankheiten, die sich vermutlich nicht verschlimmern werden und nicht die Besatzung gefährden,
  4. beherrschbares Asthma, kompensierter und kontrollierbarer Diabetes, stabile Schwangerschaften,
  5. leichte Prostatavergrößerungen,
  6. Rheuma außerhalb eines Schubes
  7. leichtere Fehlbildungen.

 

In die Tropen sollten nur gesunde Personen reisen. Sind Tauchausflüge geplant, sollte eine zusätzliche Untersuchung und eine Belehrung durch einen versierten Taucherarzt erfolgen. Eine gründliche körperliche Untersuchung vor Antritt der Reise sollte für jeden selbstverständlich sein. Die Zähne müssen saniert sein. Frauen sollten außerdem einen Gynäkologen aufsuchen. Eine Ausbildung von medizinischen Laien könnte durch die bekannten Rettungsorganisationen erfolgen, die regelmäßig Lehrgänge über Erste Hilfe am Unfallort und die HLW anbieten. Oft kann man auch an einem Sanitätslehrgang, der primär für die Angehörigen der entsprechenden Rettungsorganisationen gedacht ist, teilnehmen. Spezielle weiterführende Seminare bietet u.a. die Kreuzer-Abteilung im Deutschen Segler- Verband, 22309 Hamburg, Gründgensstraße 18, vorzugsweise in den Wintermonaten an. Aber auch andere Segelvereine führen ähnliche Veranstaltungen durch.

Beispiel einer Ausbildung

Küstenfahrt

Erste Hilfe am Unfallort, z.B. beim DRK Herz-Lungen-Wiederbelebung, z.B. beim DRK Behandlung von Unterkühlungen Behandlung der Seekrankheit

Impfungen

Ein vollständiges Impfprogramm sollte rechtzeitig, mindestens schon sechs Monate vor der Abreise, durchgezogen werden. Oft müssen mehrere Impfungen in einem größeren Abstand voneinander durchgeführt werden. Zwischenzeitlich auftretende Infekte könnten das Impfprogramm verzögern. Für Reisen in europäischen Gewässern genügen die üblichen Impfungen gegen

·         Wundstarrkrampf,

·         Diphterie

·         Kinderlähmung (Polio).


Bei Reisen in die Tropen ist eine Malariaprophylaxe und eine eventuelle Therapie wichtig. Zwar ist auf See kaum mit Malariainfektionen zu rechnen, dafür aber um so mehr bei Ausflügen in das Landesinnere. Da die Malaria in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich auftritt, sind fachkundige Beratungen, z.B. durch Tropeninstitute, einzuholen. Ein Impfstoff ist noch in der Entwicklung und wird in der nächsten Zeit in Deutschland noch nicht zur Verfügung stehen. Da die Krankheit nur durch Mückenstiche übertragen wird, sollte sie möglichst vermieden werden, z.B. durch Moskitonetze oder eine entsprechende Kleidung. Die Hepatitis B wird vorwiegend durch sexuelle Kontakte übertragen und ist besonders in Ostasien verbreitet. Die Hepatitis A wird durch Verschlucken von infizierten Speisen erworben und tritt vorzugsweise in Ländern auf, in denen schlechte hygienische Verhältnisse herrschen. Gegen beide Hepatitisformen gibt es wirksame Impfungen. Impfungen gegen Cholera und Typhus gibt es zwar. Ihre Wirkung ist aber unsicher und hält nur wenige Monate vor. Wichtiger sind das Einhalten der üblichen Hygienevorschriften und die Sorgfalt beim Übernehmen von Trinkwasser. In einigen Bereichen Südspaniens und Mittelamerikas wurden Tollwutinfektionen durch Bisse von Fledermäusen beobachtet, die mit einem speziellen Serum vor Ort sofort behandelt werden müssen. Mit Gelbfieber ist nur in wenigen Gebieten zu rechnen. Eine Impfung ist zwar nicht frei von Risiken, gewährt aber lebenslangen Schutz.

Die Bordapotheke

Seefahrt

·         Sanitätslehrgang A, z.B. beim DRK Üben von Wundversorgungen Anlegen von

·         Dauerschienen Anlegen von Infusionen

·         Geben von Injektionen

·         Pflegerische Maßnahmen

·         Funkärztliche Beratung

·         Einrichten einer Bordapotheke

Zusammensetzung und Umfang einer Bordapotheke

richten sich zunächst nach dem Fahrtbereich, der Stärke der Besatzung, der Dauer der Reise, dem Gesundheitszustand der Besatzung dem Alter der Besatzung.

 

Die folgende Aufstellung ist für eine vierköpfige Besatzung und eine vierwöchige Reisedauer gedacht. Bei größerer Personenzahl ist besonders die Menge der Mittel gegen Infektionskrankheiten und Durchfalle entsprechend zu erhöhen. Für Sportfahrzeuge gibt es keine bindenden Vorschriften, jedoch nationale und internationale Richtlinien, wie sie z.B. in den Sicherheitsvorschriften der Kreuzer-Abteilung des Deutschen Segler-Verbandes fixiert sind. Diesen Empfehlungen hat sich der Germanische Lloyd angeschlossen. Die Dauer der Reise hat zwar auch einen Einfluß auf den Umfang der Apothekenausstattung, jedoch nicht automatisch auf die Zahl aller Medikamente. Mittel gegen Schmerzen, Durchfälle und Infektionskrankheiten sollten aber vermehrt mitgenommen werden. Liegt bei einem Besatzungsmitglied eine behandlungsbedürftige Krankheit vor, müssen die für die Behandlung erforderlichen Medikamente in ausreichender Menge zusätzlich mitgeführt werden. Er sollte den Schiffsführer über seine Krankheit und eventuell notwendig werdende Maßnahmen informieren! Das Alter der Besatzung spielt bei Kindern eine Rolle, die für ihre Medikamente besondere Darreichungsformen benötigen, z.B. Säfte oder Kinderzäpfchen. Für ältere Besatzungsmitglieder sollten zusätzlich Herzmittel und Antibiotika mitgeführt werden, auch wenn zu Reisebeginn keine Beschwerden angegeben werden. Die Medikamente sollen an Bord kühl und trocken aufbewahrt werden. Zur Aufbewahrung eignen sich wasserdicht verschließbare, griffbereite, schwimmfähige Plastikbehälter mit Gummidichtungen und Wandhalterungen. Sie sollten möglichst keine Beschläge haben, die rosten könnten. Besonders bei umfangreichen Apotheken kann es vorteilhaft sein, wenn man Medikamente und Verbandsmittel für die Erste Hilfe in zwei getrennten Behältern unterbringt. Aus Gründen der besseren Haltbarkeit und der Gewichts- und Platzersparnis wurde festen Arzneimittelformen (Tabletten, Kapseln, Dragees und Zäpfchen) bis auf wenige Ausnahmen der Vorzug gegeben. Bei Lufttemperaturen über 28º C können Zäpfchen schmelzen, deshalb müssen sie in ihren Folien bleiben. In kaltem Wasser werden sie wieder fest. Mittel, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, sind für Sportboote nicht zugelassen. Sie finden sich deshalb auch nicht in der Aufstellung.

 

Die folgende Aufstellung der Medikamente, die in eine Bordapotheke gehören, ist nach Krankheitsbildern (Indikationen) geordnet. Sie ist der Apotheke beizufügen. Für See- und die Tropenfahrt sind zusätzliche Medikamente, z.B. für die Malaria-Prophylaxe, erforderlich. Je nach Ausbildungsstand und Platz an Bord sollten Instrumente für Wundversorgungen, Verbandsmaterial und Pflegemittel (Fieberthermometer) mitgeführt werden. Die Ausstattung mit ärztlichen Instrumenten richtet sich nach der medizinischen Vorbildung der Besatzung, ob diese z.B. in der Lage ist, kleinere chirurgische Eingriffe vorzunehmen, Spritzen zu geben oder Infusionen anzulegen. Die Apotheke ist erforderlichenfalls nach eigenem Ermessen zu ergänzen. Auch wenn die Besatzung nicht über medizinische Vorkenntnisse verfügt, ist eine möglichst komplette Apotheke dann vorteilhaft, wenn zwar kompetente Helfer verfügbar sind, diese aber keine Notfallausrüstung bei sich haben. Beim Einrichten einer Apotheke sollte man sich die Medikamente entsprechend der Aufstellung besorgen und die Packungen möglichst auf allen Seiten groß mit einem Filzschreiber mit den Nummern (Lfd. Nr.) versehen. Dies erleichtert das Finden der Medikamente, die Kontrolle auf Vollständigkeit und erspart das Merken von Präparatenamen. In der nächsten Spalte (Kontrolle) können Vermerke über Vollständigkeit, Verbrauch oder Verfallsdaten gemacht werden. Trinkwasser muß einwandfrei sein. Bei der Übernahme ist darauf zu achten, daß z.B. der Wasserschlauch nicht mit dem Hafenwasser in Berührung kommt. Vorteilhaft sind mehrere kleine Tanks für den Fall, daß Leckagen oder Verunreinigungen auftreten. Die Tanks müssen sich gut reinigen lassen. Desinfizierende Zusätze sind meistens nicht erforderlich. In der Trinkwasserverordnung für die Handelsschiffahrt sind nur chlorhaltige Desinfektionsmittel vorgesehen.

Nahrungsmittel

sollten möglichst oft durch frische Nahrungsmittel ergänzt werden. Dann sind Mangelerscheinungen nicht zu befürchten. Aufgetriebene Konserven dürfen auf keinen Fall verzehrt werden. Obst muß mit einwandfreiem Wasser gereinigt werden. Vorsicht ist beim Verzehr von selbst geangelten Fischen geboten. In unseren Breiten gibt es praktisch keine giftigen Fische. In den Tropen können sich je nach Jahreszeit und Alter der Fische in ihnen Toxine anreichern, die schwerste Vergiftungserscheinungen machen können. In Küstennähe ist das Risiko größer als auf hoher See.

Literaturhinweise:

»Medizin auf See«, DSV-Verlag, 22309 Hamburg, Gründgensstraße 18. ISBN 3-88412-188-x. Dr. med. Meinhard Kohfahl

Medikamente für die Küstenfahrt

Atmungsorgane

Lösendes Hustenmittel

Ambroxol

Hustendämpfendes Mittel

Codein-Derivate

Asthma-Tabletten

Euphyllin-Derivate

Asthma-Dosier-Aerosol-Spray

Fenoterol

 Herz- und Kreislauf

Spray bei Herzanfall

Nitroglyzerin

Tabl. bei hohem Blutdruck

Nifedipin

Tabl. bei niedrig.

Novadral

Blutdruck Tabl. zum Entwässern

Furosemid

 Magen-Darm-Mittel

Tabl. bei Magenbeschwerden

Aluminiumhydroxid

Tabl. bei Übelkeit + Erbrechen

Metoclopramid

Tabletten bei Durchfall

Loperamid-HCI

Drag.bei Verstopfung

Dulcoiax

Blase und Nieren

Tabl. bei Harnwegsinfekten

Komb. v. Trimethoprim und
Sulfamethoxazol

 Schmerzmittel

Tabl. bei leichten Schmerzen

Acetylsalicylsäure

Tabl. bei Rheuma + Hexenschuß

Diclofenac-Na

Tabl. bei starken Schmerzen

Metamicol-Na

 Beruhigungs- und Schlafmittel

Leichtes Beruhigungsmittel

Pflanzenextrakte

Stärkeres Beruhigungsmittel

Diazepam 5 mg

 Mittel gegen Allergien

Tabl. bei leichter Allergie

Antihistminika

Tabl. bei schwerer Allergie

Corticosteroide

Mittel gegen Seekrankheit

Tabletten, Zäpfchen, Pflaster

Vomex Zäpfchen Scopoderm-TTS-Pflast.

 Chemotherapeutika, Antibiotika

Chemotherapeutikum

Co-trimoxazol

Penicillin-Tabletten

Penicillin 1 Mill. E.

Tetracyclin-Tabletten

Tetracyclin 100 mg

Salben

Jucken, Sonnenbrand, Insekten

Antihistamin-Gel

Fußpilz

Clotrimazol-Creme

Rheuma, Hexenschuß, Prellungen

Salicylat-Creme

 

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